BGH-Urteil: Toter Jäger darf sich weiter wie die Axt im Wald benehmen

15.12.2005

Bundesgerichtshof sanktioniert Feudalrechte der Jägerschaft und setzt Nazi-Jagdrecht weiterhin vor Menschenrecht.

In seiner heutigen Entscheidung hat der III. Zivilsenats des Bundesgerichtshof unter dem Vorsitz des Richters am Bundesgerichtshof Schlick die Revison der veganen Klägergemeinschaft gegen die vorinstanzlichen Entscheidungen abgewiesen. Die Entscheidung liegt zur Zeit nur als Pressemeldung des BGH vor. Eine ausführliche Urteilsbegründung steht noch aus, womit auch noch keine detailierte Urteilskritik möglich ist.

Im Verlauf der am heutigen Tag stattgefundenen mündlichen Verhandlung zeichnete sich wenig überraschend eine entsprechend vorgefasste Meinung des III. Zivilsenats ab. Das einzig wirklich Überraschende war die Mitteilung des Vertreters der beklagten Seite, dass sein Mandant inzwischen verstorben sei. Trotz des nicht mehr unter den Lebenden weilenden Beklagten wurde die Verhandlung fortgesetzt, wobei der Eindruck – auch angesichts des durchscheinenden “Vorurteils” – eines pro forma Schaulaufens nicht als völlig abwegig erscheinen konnte. Der Vertreter der Klägerseite zeigte nochmals in einem engagierten Plädoyer die Relevanz der Individualrechte Kläger hinsichtlich der Ausübung der Jagd auf ihrem Grundstück auf, insbesondere das einschlägige Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, wobei er eindringlich die Frage aufwarf, welche Bedeutung eine Europäische Menschenrechtskonvention hat, wenn diese zwar für “Europa” und dessen Staaten, aber nicht für deutsches Recht eine Relevanz hat. Die deutsche Justiz ist hier von Kleinmut geprägt, wenn sie sich im Jahr 2005 an nationales, zudem aus der Nazi-Zeit und der Feder von Reichsoberballermeister Göring stammendes Recht klammert, was im Urteil des LG Zweibrücken als “deutsche Rechtstradition” verbrämt wurde. Der BGH konnte diesen Kleinmut auch heute nicht überwinden und hat die Chance vertan eine humanistische Rechtssprechung zu begründen.

Mit seinem Urteil sanktioniert das Gericht das jeden sittlichen und demokratischen Grundsätzen widersprechende Feudalverhalten des verstorbenen, beklagten Jagdpächters. Der Klägerseite wurde vom Gericht dagegen jegliche Relevanz ihrer Rechte auf Gewissensfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Eigentumsgarantie, sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention abgesprochen. Die Gewissensfreiheit der Kläger als Veganer jede auch passive Unterstützung der Jagd im Rahmen ihrer persönlichen Möglichkeit und Verantwortung zu bekämpfen, wurde vom Gericht auf einen fiktiven Zwang zur aktiven Föderung der Jagd kastriert. Nach dieser absurden Logik des BGH könnte man auch den Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung fallen lassen, denn man ist ja auch nicht aktiv beteiligt wenn man wegsieht. In diesem Zusammenhang sei an die Gedanken Martin Niemöllers erinnert, der so lange beim “Verschwinden” von Kommunisten, Sozialdemokraten etc. in Nazi-Deutschland wegsah, bis er selbst dran war und die anderen dann auch wegsahen, wie er zuvor. Soll das die Intension der grundgesetzlich garantierten Gewissensfreiheit sein? Soll Unrecht zur Recht werden indem man nur zuschaut?

Die Übertragbarkeit des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 29. April 1999 in der Sache Cassagnou u.a. gegen Frankreich auf deutsches Recht wird vom BGH in der Pressemitteilung ohne weitere Begründung oder eine Andeutung dessen kategorisch verneint. Hier wird die nähere Urteilsbegründung erst Aufschluß geben können, wie die BGH-Richter glauben die Nicht-Relevanz der EMRK vertreten durch den Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für deutsches Recht belegen zu können, zumal der Anwalt der Klägerseite wiederholt und eindringlich eine Bedeutungsgebung der EMRK angemahnt hatte. Was ist eine EMRK Wert, die faktisch auf deutschem Boden nicht das Papier wert ist auf dem sie steht? Eine Frage, die sich jeder, der seine und anderer Menschenrechte geschützt wissen will, stellen sollte.

Eine ausführliche, schriftliche Urteilsbegründung steht noch aus. Die Klägerseite erwägt mit der Ausschöpfung der Rechtsmittel den Gang vor das Bundesverfassungsgericht, sowie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Links:
Pressemitteilung des BGH Nr. 175/2005
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

weitere Links:

Ankündigung der Verhandlung bei pressrelations
SWR-Meldung: Veganer klagen gegen Jagd-Hochsitz
NGZ-Online: Veganer wollten Jagd-Hochsitz verbieten lassen
PZ: Veganer scheitern mit Klage gegen Hochsitz

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